Rezension: "Meine dunkle Vanessa" von Kate Elizabeth Russell

Ein erschütterndes Buch über Missbrauch, Manipulation und emotionale Abhängigkeit.

"Er fährt mit dem Finger über die Adern, die bläulich durch meine Haut schimmern, redet davon, was für einen Hunger ich in ihm wecke und dass er mich am liebsten fressen würde, wenn das irgendwie ginge. Ich halte ihm wortlos den Arm hin: Da, bitte schön. Er beißt nur ganz leicht zu, aber ich würde mich von ihm vermutlich auch klaglos in Stücke reißen lassen. Es gibt nichts, was er nicht mit mir machen dürfte."

Titel: Meine dunkle Vanessa
Autorin: Kate Elizabeth Russell
Verlag: C. Bertelsmann
Seitenzahl: 448
Genre: Gegenwartsliteratur

Inhalt (Klappentext)

Vanessa war gerade fünfzehn, als sie das erste Mal mit ihrem Englisch-Lehrer schlief. Fast zwanzig Jahre später wird Jacob Strane von einer anderen ehemaligen Schülerin wegen sexuellen Missbrauchs angezeigt. Vanessa ist zutiefst erschüttert, denn noch immer ist sie sich sicher: Es war wahre Liebe. Doch der Zweifel beginnt an ihr zu nagen – war sie vielleicht nur eines von Stranes Opfern?

Meine Meinung

Die Rezension zu diesem Buch fällt mir unheimlich schwer. Ich habe zum einen großen Respekt vor dem Thema des Romans, hatte aber zum anderen so meine Schwierigkeiten mit ihm. 

Erzählt wird er in zwei Zeitebenen: in der Vergangenheit und in der Gegenwart, zu Zeiten der #MeToo-Bewegung. Es geht um die 15-jährige Vanessa, die ein Verhältnis mit ihrem fast dreißig Jahre älteren Englischlehrer hat. Sie ist sich sicher, dass es Liebe ist. Denn wenn nicht, was ist es dann? Doch Mr Strane, der Lehrer, ist ein Meister der Manipulation. Knapp zwanzig Jahre später wird er von einer anderen ehemaligen Schülerin wegen sexuellen Missbrauchs angezeigt und Vanessa ist gezwungen sich mit ihrer Vergangenheit auseinanderzusetzen. 

Vanessa ist als Highschool-Schülerin sehr einsam und isoliert, eine Außenseiterin, und somit leichtes Opfer für Mr Strane. Dieser übergibt ihr immer wieder die Verantwortung für sein Handeln und gibt ihr das Gefühl, dass sie das Sagen hat. Doch letztenendes ist er der Erwachsene, der Überlegene, der die Zügel in der Hand hält. Vanessa genießt seine Aufmerksamkeit, fühlt sich geliebt und wird emotional abhängig von ihrem Lehrer. Manche Szenen sind unheimlich erschreckend und explizit, gerade was die Intimität zwischen den Beiden angeht, sodass ich teilweise wirklich schlucken musste. Auch in der Gegenwart hat die Beziehung zu Mr Strane noch Folgen für Vanessa. Sie hat ihr Leben überhaupt nicht im Griff und führt einen ungesunden Lebensstil. 

Der innere Konflikt von Vanessa wird überzeugend dargestellt, denn sie fragt sich, inwieweit sie ein Opfer war, wo doch eine vermeintliche Zustimmung ihrerseits erfolgt ist. Ihre Schilderungen sind sehr nüchtern und emotionslos, was vielleicht ihre innere Leere zeigen soll, allerdings fiel es mir dadurch schwer einen richtigen Bezug zu ihr herzustellen. Der Schreibstil war mir insgesamt einfach zu distanziert, auch war er sehr düster und bedrückend. 

Auffallend oft gibt es in der Geschichte Verweise zu Nabokovs "Lolita", was mich ein bisschen gestört hat. Ich hatte einfach das Gefühl, dass ich das Buch besser vorher gelesen hätte, für ein besseres Verständnis.

Leider empfand ich den Roman gerade in der zweiten Hälfte sehr langatmig, sodass ich mich immer wieder zum Lesen zwingen musste, was kein sehr gutes Zeichen ist. Trotz allem möchte ich in meiner Bewertung berücksichtigen, dass das Buch einen wertvollen Beitrag zur #MeToo-Bewegung leistet und aufzeigt, wie sehr sich ein junges Mädchen in einer Beziehung zu einem älteren Mann verlieren kann. 

Bewertung

Ich bewerte das Buch mit 3 von 5 Sternen, da es ein unheimlich wichtiges Thema behandelt, ich mich aber leider mit dem Schreibstil und der Protagonistin etwas schwer getan habe. 

★★★☆☆

Vielen Dank an das Bloggerportal der Verlagsgruppe Random House für das Rezensionsexemplar!

Kommentare

  1. Liebe Steffi

    Ich kann dich so gut verstehen... Das Rezensieren solcher Bücher fällt mir auch oft schwer. Mir ist das schon bei einem Buch über den zweiten Weltkrieg so gegangen. Es handelte sich um einen Zeitzeugenbericht, daran kann man ja nicht einmal die Handlung und den Aufbau kritisieren (höchstens Zeitsprünge oder Unklarheiten) und trotzdem hat mir das Buch so gar nicht zugesagt, weil es einfach so unpassend erzählt war. Aber wie rezensiert man das?

    Ich finde es toll, dass du den Schreibstil usw. vom Inhalt getrennt betrachtet hast. Man kann sagen, dass ein Thema wichtig ist und mehr Aufmerksamkeit verdient, dass aber die Umsetzung nicht ganz gelungen ist. Du hast das wunderbar auf den Punkt gebracht.

    Da es nicht die einzige Rezension zu diesem Buch ist, die eher durchwachsen war, werde ich es mir sicher nicht kaufen. Aber vielleicht quellen bald die offenen Bücherschränke davon über, wenn es niemandem so richtig zugesagt hat ;-)

    Alles Liebe an dich
    Livia

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    1. Hallo Livia,
      ich freue mich total über deine lieben Worte. Danke, dass du dir die Zeit dafür genommen hast! Ich habe zu dem Buch vor allem sehr positive Rezensionen gelesen, sodass ich mich fast ein wenig allein mit meiner Meinung gefühlt habe. Falls du es noch lesen solltest, würde mich deine Meinung sehr interessieren.
      Ganz liebe Grüße, Steffi

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  2. Hallo Steffi,
    du hast mich jetzt definitiv sehr neugierig auf dieses Buch gemacht. Vanessa liegt seit einiger Zeit auf meinem SuB. Ich mag es, wenn in Geschichten schwierige Thematiken aufgegriffen werden. Das scheint hier gegeben zu sein. Ich bin gespannt, wie die Umsetzung letztlich beim Lesen auf mich wirken wird.

    Vielen Dank auch für den Hinweis bezüglich der Verweise auf "Lolita". Das könnte auch für mich einen Kritikpunkt darstellen, eben weil ich das Buch auch noch nicht gelesen habe. Ich bin mir noch nicht sicher, ob ich Lolita vorab noch lesen werde, aber so kann ich mich auf diesen Aspekt vorab einstellen.

    Liebe Grüße
    Tanja

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    1. Hallo Tanja,
      die Thematik in dem Buch ist wirklich keine einfache und sehr aufreibend. Für viele war es ja tatsächlich auch ein Lesehighlight. Ich wünsche dir auf jeden Fall, dass es dich begeistern kann und bin sehr gespannt auf deine abschließende Meinung.
      Ganz liebe Grüße, Steffi

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  3. Hallo Steffi,

    das Thema macht mich auch neugierig auf das Buch. Aber wenn in Romanen auf andere Bücher verwiesen wird, mag ich das gar nicht. Das Vorwissen hat man ja nicht immer und da wäre ich auch enttäuscht und auf alle Fälle wäre es ein negativer Punkt in meiner Bewertung.

    Liebe Grüße
    Barbara

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    1. Hallo Barbara,
      ich bin gespannt, ob du das Buch noch lesen wirst und wie du es dann letztendlich findest. Manchmal machen einen solche Buchverweise ja neugierig, aber hier war es mir einfach ein bisschen zu viel und ich hatte das Gefühl, mir fehlt Vorwissen.
      Ganz liebe Grüße, Steffi

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