Rezension: "Findelmädchen" von Lilly Bernstein

Eine berührende Nachkriegsgeschichte - warmherzig und erschütternd zugleich.

🕮 "Zehn Jahre erst war der Krieg vorbei. Immer noch saß ihr die Angst vor Uniformen in den Knochen" 🕮

Titel: Findelmädchen - Aufbruch ins Glück
Autorin: Lilly Bernstein
Verlag: Ullstein
Seitenzahl: 592
Genre: historischer Roman

Inhalt (Klappentext)

Köln 1955: Die 15-jährige Helga und ihr Bruder Jürgen leben endlich wieder bei ihrem aus russischer Kriegsgefangenschaft heimgekehrten Vater. Von der Mutter fehlt seit Kriegsende jede Spur. Der Vater baut sich mit einem Büdchen eine neue Existenz auf, Jürgen beginnt bei Ford. Helga aber, die sich nichts sehnlicher wünscht, als aufs Gymnasium zu gehen, soll sich in der Haushaltungsschule auf ein Leben als Ehefrau vorbereiten. Während eines Praktikums im Waisenhaus muss sie entsetzt mitansehen, wie schlecht die Kinder dort behandelt werden. Schützend stellt sie sich vor ein sogenanntes »Besatzerkind«. Und sie verliebt sich. Doch die Schatten des Krieges bedrohen alles, was sie sich vom Leben erhofft hat …

Meine Meinung

Nachdem ich im letzten Jahr absolut begeistert von "Trümmermädchen" war, wollte ich nun natürlich auch den Nachfolger "Findelmädchen" lesen. (Kleine Anmerkung: Man muss "Trümmermädchen" nicht unbedingt vorher gelesen haben.)

Es geht um die 15-jährige Helga und ihren knapp ein Jahr älteren Bruder Jürgen, die an Weihnachten 1954 die Nachricht bekommen, dass ihr Vater lebt und sie in Köln erwartet. Er ist aus russischer Kriegsgefangenschaft heimgekehrt. Helga und Jürgen sind die letzten Jahre, genaugenommen seit Januar 1947, auf einem französischen Weingut bei Pflegeeltern aufgewachsen. Obwohl sich liebevoll um die Kinder gekümmert wurde, haben sich Helga und Jürgen in Frankreich nie richtig zu Hause gefühlt, waren sie doch immer "die Findelkinder". An ihre frühe Kindheit haben die Jugendlichen keine Erinnerungen mehr. Diese reichen nur bis zu der Zeit nach dem Krieg zurück, als sie mit anderen Kindern, die auch ohne Eltern und Verwandte waren, in einem Keller in Köln gehaust haben, bis sie von Tante Claire und Onkel Albert gefunden und mit nach Frankreich genommen wurden. Was mit ihrer Mutter passiert ist, wissen sie nicht. In Köln beginnen sie nun ein ganz neues Leben. Jürgen wird bei Ford angenommen und Helga kommt auf Drängen ihres Vaters und ihrer Tante Meta - der Schwester der Mutter - auf eine Haushaltungsschule. Dabei möchte Helga eigentlich unbedingt aufs Gymnasium und Literatur studieren, aber der Vater will davon nichts wissen. Bei einem Praktikum im Waisenhaus sieht Helga unter welch schlimmen Bedingungen die Kinder dort aufwachsen und vor allem die kleine Bärbel, deren Haut die Farbe von Milchschokolade hat, wächst ihr ans Herz. Als Besatzerkind hat sie einen besonders schweren Stand in dem Kinderheim. Wird es Helga gelingen, ihr zu helfen und wird sie selbst irgendwann das Leben führen können, das sie sich erhofft hat?

Ich habe Helga unheimlich lieb gewonnen. Sie ist so eine mutige, liebenswerte Protagonistin, die das Herz am rechten Fleck hat. Ihr Schicksal hat mich sehr mitgenommen und ich war gefesselt von der ersten bis zur letzten Seite, weil ich wissen wollte, wie sich ihr Leben entwickelt. Auch ihren Bruder Jürgen kann man einfach nur gern haben, genauso wie die erfrischende Fanny, die im selben Haus wie Helgas Familie lebt und ihrem Vater im Haushalt hilft. Neben den sympathischen Charakteren, gibt es aber natürlich auch die, die man so gar nicht leiden kann. So habe ich mich beispielsweise gefragt, warum Tante Meta so kaltherzig ist, ob ihr etwas widerfahren ist, das sie so schroff gemacht hat? Oder wieso die Nonnen in dem Waisenhaus so unbarmherzig mit den Kindern umgehen? Und warum Helgas Vater, der eigentlich sonst ein wirklich angenehmer Mensch ist, sie so abwimmelt, wenn es darum geht, dass sie gern schreiben möchte? Auf so manches wird man im Laufe des Buchs noch eine Antwort bekommen.

Mir hat die Geschichte wahnsinnig gut gefallen. Sie hat mir immer wieder Gänsehaut beschert, mich fassungslos gemacht, mich aufgewühlt - einfach große Emotionen in mir geweckt. Der Schreibstil von Lilly Bernstein ist berührend, aber auch warmherzig und sehr bildhaft. Man taucht regelrecht in die Nachkriegszeit ein und erlebt, wie schwer es gerade für junge Frauen damals war. Mir wird die Geschichte sicher noch eine Weile im Kopf bleiben und ich kann sie nur wärmstens weiterempfehlen. Ein Herzensbuch für mich!

Bewertung

5 von 5 Sterne

★★★★★

Vielen Dank an die Ullstein Buchverlage für die Zusendung des Rezensionsexemplars! 





Kommentare

  1. Hallo Steffi,
    da mache ich doch gern einen Gegenbesuch und schaue, was du in letzter Zeit tolles gelesen hast.
    Und da stoße ich gleich auf dieses Buch.

    Hierzu hatte ich auch eine Anfrage vom Verlag, habe auch zugesagt, aber das Buch ist auf dem Postweg verloren gegangen. Hatte solang abgewartet, dann dem Verlag geschrieben, dass es schade ist, aber mittlerweile der Herbst und meine heißgeliebten Herbstbücher anstehen.
    Ich werde mir das Buch, sobald Zeit ist, selbst kaufen und freue mich nach deiner Rezension auf die Geschichte.

    Liebe Grüße,
    Andrea

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    1. Liebe Andrea,
      das ist ja wirklich blöd gelaufen :(.
      Ich wünsche dir aber viel Freude mit deinen Herbstbüchern und hoffe, dass dir auch dieses Buch gefallen wird, wenn du es irgendwann liest :)!
      Ganz liebe Grüße, Steffi

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  2. Hallo Steffi, das klingt wirklich nach einem äußerst intensiven Leseerlebnis. Und einem Buch, das noch etwas länger nachhallen wird.

    Zeilentänzerin
    www.zeilentaenzer.de

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    1. Liebe Zeilentänzerin,
      ja, das kann ich so absolut unterscheiben :).
      Beste Grüße, Steffi

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  3. Tolle Vorstellung. Klingt nach schwerer Kost. Ich schau mir das Buch mal genauer an.

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    1. Hallo Thorti,
      danke dir! Das Buch beinhaltet auf jeden Fall schwere Themen, hat aber trotzdem auch eine sehr herzerwärmende Seite.
      Liebe Grüße, Steffi

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    2. Hallo Steffi,
      ich habe wegen meiner Begeisterung für "Trümmermädchen" den Roman auch unbedingt lesen wollen und dann verschlungen und mich direkt hineingefühlt. So toll geschrieben und dann auch noch mit Leben gefüllt. Einfach nur klasse und so herzerwärmend, wie du so schön sagst.

      liebe Grüße
      Barbara

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    3. Hallo Barbara,
      wie schön, dass dich das Buch auch so begeistern konnte!
      Viele liebe Grüße, Steffi

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  4. Oh, liebe Steffi

    Das klingt ja grandios, das Buch merke ich mir auf jeden Fall vor. Aktuell reizen mich solche Geschichten sehr und dein Lob hat mich sehr neugierig gemacht.

    Lieben Dank für den Tipp
    Livia

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    1. Liebe Livia,
      das Buch ist meiner Meinung nach wirklich grandios und auch "Trümmermädchen" der Autorin kann ich dir sehr ans Herz legen. Beides sehr emotionale Geschichten.
      Ganz liebe Grüße, Steffi

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